Die zensierten Kohl-Protokolle

Ich war seinerzeit so sehr am Tages- und Zeitgeschehen interessiert, dass ich es kaum erwarten konnte, das Buch „Vermächtnis : Die Kohl-Protokolle“ von Heribert Schwan und Tilman Jens in die Finger zu bekommen (2014). Sobald es verfügbar war, schlug ich zu.

Das ist, für sich genommen, noch nichts, worüber man schreiben müsste, es sei denn, ich würde nun das Buch besprechen. Nein, es passierte hernach etwas Anderes, etwas viel Bemerkenswerteres. Und das hat zu tun damit, was im Buch steht, und wie es da steht.

Denn Schwan und Jens legten offen, wie der Altkanzler über Zeitgenossen sprach. Die Betonung liegt auf dem WIE. Die Autoren legten unverblümt offen, welche Formulierungen der Altkanzler verwandte, wenn er mit den Autoren über Weggefährten wir Rita Süssmuth, Norbert Blüm oder Angela Merkel sprach.

Darüber, dass das Buch somit „Einblicke in das Denken Kohls gebe“ (Augstein, Spiegel online) entbrannte schon vor der Veröffentlichung Streit. Kohl wollte die Veröffentlichung verhindern. Doch: „Da der Verlag nach eigenem Bekunden keine Unterlassungsaufforderung erhielt, lieferte er das Buch planmäßig an die Buchhandlungen aus.[WIKIPEDIA]„. Später „untersagte das Landgericht Köln dann die Verbreitung von über hundert Zitaten Kohls und damit auch des Buchs an sich. Dies schloss mit ein, dass das Autorenduo die entsprechenden Passagen beispielsweise bei Autorenlesungen nicht vortragen durfte. Der Abverkauf bereits ausgelieferter Bücher war davon nicht betroffen. [WIKIPEDIA]

Für mich als am Zeitgeschehen interessierten Bürger ergibts sich ein wundersamen Endergebnis, was die Verfügbarkeit des Buches betrifft (das juristische Ergebnis ist mir hier gerade, wie soll ich sagen, schnuppe?). Ich profitierte davon, dass der Abverkauf bereits ausgelieferter Bücher nicht betroffen war. Ich habe nach wie vor ein Buch, das so, wie es geschrieben wurde und in die Erstveröffentlichung ging, für mich lesbar ist. Dieses Buch verrät mir wirklich viel darüber, wie Helmut Kohls Sicht auf seine Mitmenschen war.

Und ich habe ein zweites Mal investiert und das Buch in der heute vorliegenden Fassung erneut gekauft und halte auf diese Weise quasi eine Kopie der Erstveröffentlichung in der Hand, die aber einige (oder sollte ich sagen recht viele) Passagen nur geschwärzt beinhaltet, eben jene Passagen, die uns verraten, wie Kohl getickt hat.

Das ist, alles in allem, für mich ausgesprochen faszinierend und irritierend zugleich.

Und ja, es juckt mich in den Fingern, ich werde aber den Teufel tun und hier die geschwärzten Inhalte offen legen. Damit würde ich mich ja angreifbar machen. Aber ich gebe zu, manchmal lese ich noch mal nach, wie der Altkanzler so daher geredet hat, in den langen Gesprächen mit Schwan.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung
Nach oben scrollen