Die Sichtbarwerdung der Selbstbeschränkung

Hallo, liebe Freunde der Sonne,

dieses Jahr 2020 bleibt uns in Erinnerung unter anderem als Jahr der Stille und der Einsamkeit aufgrund der Pandemie.

Im goldenen Herbst, in seiner schönsten Zeit voller Sonne und Farbe, war noch kein neuerlicher Lockdown angesagt. Lokale Maßnahmen waren ergriffen worden, aber man konnte guten Gewissens raus in die Natur und den eigenen vier Wänden entfliehen. So ging auch ich, bewaffnet mit meiner Lumix, einer kleinen Brotzeit und guter Laune raus: Nach Heidelberg.

Aber wer solche Bilder sieht wie hier – aufgenommen am 27. Oktober 2020 kurz nach 13.00 Uhr am Philosophenweg in Heidelberg – und weiß, wie die Heidelberger Menschen normalerweise ticken, ahnt die Selbstbeschränkung. An einem sonnigen Herbsttag sind, in normalen Zeiten, zur Mittagszeit am Philosophenweg Bilder ohne andere Menschen drauf nicht möglich. Kann man Selbstbeschränkung sehen? Normalerweise nicht. Denn die Zurückhaltung im Handeln, die sich die Menschen auferlegen schlägt sich nieder in Nicht-Rausgehen, in Nicht-Besuchen, in irgendwelchen Nicht-Handlungen. Die Selbstbeschränkung der Menschen in einer Pandemie ist normalerweise nicht sichtbar.

Oder eben doch: Durch die Unsichtbarkeit, das Nicht-Vorkommen der Menschen auf Bildern von Orten an denen es unter den normalen Umständen vor Menschen nur so wimmelt, kann sie sichtbar werden. Beispiele gefällig?

In normalen Zeiten ist die Altstadt von Heidelberg immer von Touristen aus aller Welt, den Besuchern aus dem Umland und den Heidelbergern selbst belebt. Und belebt bedeutet eben für einsame Foto-Touristen keine Chance, die Stadt ohne fremde Menschen drauf abzulichten. In 2020 war das möglich. Selbst am Marktplatz, wo die angrenzenden Lokale zum Verweilen auf dem Platz einladen, war das so. Immerhin nicht ganz menschenleer, aber so leer ging nur in 2020.

Durch die Linse betrachtet erkenne ich im Nicht-Vorhandensein von Menschen an Orten, an denen es normalerweise immer viele Menschen gibt, etwas, was man eigentlich nicht sehen kann: Die Selbstbeschränkung der Menschen in Zeiten der Pandemie. Und das, liebe Freunde der Sonne, finde ich tröstlich.

Ja, ich weiß, weil die Airlines der Welt die Flugzeuge am Boden ließen konnten die vielen asiatischen Touristen im Goldenen Herbst Heidelberg nicht fluten … und weil das an den fehlenden Flugzeugen in der Luft lag, war es nicht die Selbstbeschränkung … kann man so sehen.

Doch wenn schon durch äußere Umstände die Touristen ausbleiben, könnten ja die Heidelberger selbst sich mal so richtig breitmachen in der eigenen Stadt … also ich sehe sie, die unsichtbare Selbstbeschränkung. Und nochmal, ich finde es tröstlich. Tröstlich weil ich mit der eigenen Selbstbeschränkung eben nicht allein bin. Weil, zu wissen, das Selbstbeschränkung wirklich da ist, einem hilft, nicht sofort in die Luft zu gehen, wenn man die Berichte über Corona-Protestierer und -Leugner Seite an Seite mit Rechtsextremisten durch die Straßen unseres Landes marschieren sieht.

Die Gewissheit, auch andere, nicht nur man selbst, schränken sich ein, ist trotz all der negativen Gefühle, die man im Zusammenhang mit diesem bescheidenen 2020 haben kann (oder gar muss), ein gutes Momentum im Rückblick auf 2020.

Darauf erhebe ich heute Abend mein Glas!

Prost, Cheers und Slàinte Mhath

Euer mit der Lumix knipsender Muschelschale97

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