Wenn die eigenen Kinder morgens freiwillig Nachrichten-Podcasts hören, ist die Lage ernst. Seit zwei Tagen ist so ein Tag. Die Geschichte setzt sich nicht fort, wie von mir erhofft.
Ein Überfall, wie Mann sich einen Kriegsbeginn vorstellt, mit massiver Artillerievorbereitung und Luftangriffen und dann in schierer Masse angreifenden Panzern samt gepanzerter Infanterie für schnellen Geländegewinn, fand zwar nicht statt, doch mit der Anerkennung der „Volksrepubliken“ in den Grenzen der Ukrainischen Verwaltungsbezirke und seiner Ankündigung Truppen dorthin zu verlegen setzt Putin zumindest auf militärische Zuspitzung. Mancher mag herumschwurbeln das sei noch kein Krieg
Dem Putin scheint jedenfalls egal, was die Welt über ihn denkt. Ins Geschichtsbuch einzugehen scheint wichtig, egal womit.
Die Menschen vor Ort dürften keinen Schlaf mehr finden. Ich würde es nicht. Wenn ich vor Ort wäre, würde ich spätestens jetzt meine Familie zusammenraffen und weggehen. Mich wundert eher, dass es noch keine massiven Flüchtlingsströme gibt. Und wenn einen Menschen so ein Drang wegzugehen überkommt, was anderes ist das dann außer Krieg? Wenn Außenwände eines Kindergartens durch Granatenbeschuss durchlöchert werden, was ist das dann, außer Krieg? Wenn Seit 2014 in der Region Soldaten und Separatisten in Infanteriestellungen ausharren, was ist das dann außer Krieg? Wer Krieg danach bemisst, wieviel Munition verpulvert wird, hat Krieg nicht als die Abwesenheit von Frieden verstanden. Und nichts anderes ist Krieg: Die Abwesenheit von Frieden ist Krieg. Punkt. Aus.
Weggehen klingt so einfach, wer weiß schon ob einfach weggehen geht? Wer weggeht, hat einen Ausgangspunkt. Doch: Wohin sollen die Menschen gehen? Wohin würde ich gehen, wenn ich dort wäre? Nach Osten? Nach Russland? Kaum wenn ich Ukrainer wäre. Nach Westen in die „Tiefen“ der Ukraine? Wie sicher ist es dort und wenn ja wie lange? Und was wenn der Lebenspartner Russe oder Russin ist? Ja, auch das gibt es. Gibt es überhaupt noch offene Wege raus aus der Region?
Welche Lösung gibt es noch, außer dass der Westen mit einer Stimme spricht bei all den Sanktionen die uns alle gemeinsam teuer kommen werden? Sollen wir Flugzeuge voller Menschen als Flüchtlinge aufnehmen? Und die Flugzeuge auch noch organisieren? Ich weiß es nicht! Aber wenn Ihr mich fragen, es wäre hunderttausende Mal hilfreicher und humanitärer als 5000 Helme an die Ukraine zu liefern.
Was denken und fühlen die russischen Soldaten die in diesem Konflikt allenfalls Schachfiguren sind? Ist die Russische Arme in Ihren Befehlsstrukturen so stabil, dass die Soldaten unbedingt Befehle erfüllen und im Zweifel auf Ukrainer schießen werden? Wenn ja, warum ist die Verfasstheit der Armee stabil? Aus Überzeugung bei den Soldaten, oder weil den daheimgebliebenen Familien Schlimmes droht, wenn man nicht mitspielt? Oder beides?
Was denken und fühlen die Eltern, Ehepartner, Kinder und Verwandten und Freunde der russischen Soldaten? Haben die keine Angst um ihre Angehörigen, die als Schachfigürchen im Putinschen Geschichtsbucheingangs-Geopolitik-Monopoly auf dem Brett stehen? Doch, sie haben Angst. Ganz sicher. Keine Panzerung der Welt ist unverwundbar. Ich weiß das!
Bleibt zu hoffen, dass es keine weitere Eskalation zu einem Krieg gibt, den auch jene als Krieg bezeichnen würden, die das heute noch nicht tun. Denn dann wird es keine Sieger geben, sondern nur Verlierer. Es wird Kriegsgewinnler geben, doch Sieger werden sie nicht sein.
Kriegsgewinnler stehen für mich in etwa auf derselben Moralstufe wie Massenmörder, Serienvergewaltiger und Kinderschänder. Nur damit klar ist, dass jemand, der Gewinne aus dem Leid von Menschen zieht, immer mindestens moralisch mitverantwortlich für das Leid der Menschen ist und jede Berufung auf eventuelle Marktkräfte, die man vor oder während eines Krieges oder nach einen Kriegsende richtig einzuschätzen in der Lage war, absurd, menschenverachtend und beschämend ist. Auch das musste jetzt schon mal raus aus der Feder.
Ich hoffe weiter. Es möge wieder Frieden kommen.